Herzzeitvolumen im Fokus: Moderne Methoden der Hämodynamik

Das Herz ist das Kraftwerk des Kreislaufs. Wie effizient es arbeitet, lässt sich an zwei Kernbegriffen festmachen: der Hämodynamik (Bewegung und Verteilung des Blutes im Gefäßsystem) und der Herzleistung (mechanische Leistungsfähigkeit des Herzens). Im Zentrum vieler Beurteilungen steht das Herzzeitvolumen (HZV) – also die Blutmenge, die das Herz pro Minute auswirft. Dieser Beitrag zeigt, wie sich das HZV heute bestimmen lässt, welche Methoden klinisch relevant sind und worauf in der Praxis zu achten ist.

1) Grundlagen: Was ist das Herzzeitvolumen?

Das Herzzeitvolumen (Cardiac Output) gibt an, wie viel Blut das Herz in einer Minute in den Kreislauf pumpt. Es wird in Liter pro Minute (L/min) gemessen und ergibt sich aus Herzfrequenz (HF) und Schlagvolumen (SV):

HZV = Herzfrequenz × Schlagvolumen

Typische Ruhewerte liegen bei Erwachsenen etwa zwischen 4–7 L/min, bei Belastung kann das HZV auf ein Vielfaches ansteigen. Das HZV ist ein Kernparameter der Hämodynamik und eng mit der Herzleistung verknüpft, die zusätzlich Druckverhältnisse (z. B. mittleren arteriellen Druck) und Gefäßwiderstände einbezieht.

2) Schritt für Schritt: Herzzeitvolumen berechnen

In der Praxis stehen verschiedene Vorgehensweisen zur Verfügung, von der Faustformel bis zur instrumentellen Messung. Ein vereinfachtes Beispiel zur Illustration:

  • Herzfrequenz: 70 Schläge/Min
  • Schlagvolumen (Ultraschall-basiert geschätzt): 70 ml/Schlag
  • HZV = 70 × 70 ml = 4.900 ml/min ≈ 4,9 L/min

Für klinisch exakte Werte kommen validierte Messverfahren zum Einsatz (siehe unten). Eine kompakte Übersicht sowie Rechenwege finden Sie unter: Herzzeitvolumen berechnen.

3) Hämodynamik: Das Zusammenspiel im Kreislauf

Die Hämodynamik umfasst neben HZV u. a. Blutdruck, systemischen Gefäßwiderstand (SVR), Vor- und Nachlast, Blutvolumen und Gefäßelastizität. Eine Änderung in einem dieser Faktoren beeinflusst häufig die anderen – etwa führt eine Erhöhung des SVR bei unverändertem HZV zu einem höheren arteriellen Druck, während Volumenmangel das HZV absenken kann.

Praxisrelevant ist daher eine integrative Betrachtung: HZV, Drucke, Sättigungen und Flüsse müssen im Kontext interpretiert werden, um gezielte therapeutische Entscheidungen zu treffen.

4) Messmethoden im Vergleich

Von invasiv bis nicht-invasiv – moderne Medizin bietet mehrere Wege, das HZV zu bestimmen. Auswahl und Genauigkeit hängen von Patientenzustand, Setting (OP, Intensiv, Ambulanz) und Ressourcen ab.

4.1 Klassische, (teils) invasive Referenzverfahren

  • Thermodilution (Swan-Ganz): Kalte Indikatorlösung, Temperaturänderung im Blut misst Fluss. Vorteil: Referenznah, kontinuierlich möglich. Nachteil: Invasiv, infektions-/komplikationsanfällig.
  • Fick-Prinzip: Nutzung des O2-Verbrauchs und der arteriovenösen O2-Differenz. Vorteil: Sehr zuverlässig. Nachteil: Aufwändig, Blutgasanalysen erforderlich.

4.2 Moderne, weniger bis nicht-invasive Verfahren

  • Echokardiographie: Bestimmung von Schlagvolumen (z. B. LVOT-Messung) und HF → HZV. Routinefähig, bedside verfügbar.
  • Pulskonturanalyse: Ableitung des HZV aus der arteriellen Pulswelle (invasiv per Arterienkatheter oder nicht-invasiv über Manschetten-/Sensorsysteme).
  • Bioimpedanz/Bioreaktanz: Elektrische Eigenschaften des Thorax korrelieren mit Schlagvolumen/Fluss. Nicht-invasiv, schnell, trendtauglich.
  • Kardio-MRT (Phasenkontrast): Sehr präzise Flussmessung; Goldstandard für spezielle Fragestellungen, jedoch aufwändig.
Tabellarischer Überblick
Methode Invasivität Genauigkeit Kontinuierlich Typisches Setting
Thermodilution Invasiv Hoch Ja Intensiv/OP
Fick-Prinzip Invasiv (Blutgase) Sehr hoch Nein Intensiv/Kardiologie
Echokardiographie Nicht-invasiv Mittel–hoch (anwenderabhängig) Eingeschränkt Ambulanz/Station/OP
Pulskonturanalyse Minimal–nicht-invasiv Mittel–hoch (kalibrationsabhängig) Ja OP/Intensiv
Bioimpedanz/Bioreaktanz Nicht-invasiv Mittel (gute Trendanzeige) Ja Ambulanz/Präklinik
Kardio-MRT Nicht-invasiv Sehr hoch Nein Spezialdiagnostik/Forschung

5) Von HZV zur Herzleistung: Was sagt die Power des Herzens aus?

Die Herzleistung (mechanische Leistung) bezieht neben dem Fluss auch Druckarbeit ein und lässt sich – vereinfacht – aus Herzzeitvolumen und arteriellem Druck ableiten. Sie ist damit ein zusätzlicher Indikator für die Pumpkraft unter Berücksichtigung der Nachlast. Eine Übersicht zur Berechnung bietet: Herzleistung berechnen.

6) Klinische Anwendung & Interpretation

  • Intensiv-/Notfallmedizin: Erkennen von Schockformen, Volumenstatus, Inotropiebedarf.
  • Anästhesie/OP: Steuerung von Flüssigkeitstherapie, Vasopressoren und Inotropika.
  • Kardiologie: Differenzierung von Herzinsuffizienz-Phänotypen, Beurteilung von Klappenvitien.
  • Sport-/Rehabilitationsmedizin: Leistungsdiagnostik, Verlaufskontrolle.

Wichtig: Werte immer im Kontext der Hämodynamik interpretieren (z. B. zusammen mit Blutdruck, SVR, Laktat, Sauerstofftransport).

7) Praxis-Tipps für verlässliche Messungen

  1. Standardisieren: Gleiche Lagerung, Atemphase, Messzeitpunkt (z. B. morgens in Ruhe).
  2. Kalibrieren/Validieren: Methodenabhängige Kalibrationen beachten; bei Diskrepanzen Referenzverfahren nutzen.
  3. Artefakte vermeiden: Arrhythmien, Beatmungseinstellungen, Vasomotorik und Temperatur berücksichtigen.
  4. Trends statt Einzelwerten: Besonders bei nicht-invasiven Verfahren sind Trends klinisch aussagekräftig.

8) Zukunft: Kontinuierliche, smarte Hämodynamik

Die Entwicklung geht zu nicht-invasiven, kontinuierlichen Messsystemen und intelligenten Algorithmen. Wearables und KI-gestützte Analysen können Muster erkennen, Dekompensationen früher anzeigen und Therapieentscheidungen unterstützen – sowohl in Klinik als auch Telemedizin.

FAQ

Ist ein „normales“ HZV immer gleich?

Nein. Es variiert je nach Körpergröße, Stoffwechsel, Trainingszustand, Füllungszustand, Nachlast und Inotropie. Referenzbereiche (z. B. 4–7 L/min in Ruhe) sind Richtwerte.

Worin unterscheidet sich HZV von Herzleistung?

Das HZV misst den Fluss (L/min). Die Herzleistung beschreibt die mechanische Arbeit/Power des Herzens unter Einbezug von Druckverhältnissen. Beide Größen ergänzen sich bei der Beurteilung der Hämodynamik.

Welche Methode soll ich einsetzen?

Das hängt vom Setting ab: Invasive Referenz in OP/Intensiv, Ultraschall in der Routine, Pulskontur/Bioreaktanz für Trends. Wichtig ist die methodengerechte Anwendung und die Einbettung in das Gesamtbild der Hämodynamik.

Hinweis: Dieser Text dient der fachlichen Information und ersetzt keine individuelle ärztliche Beratung. Bei akuten Beschwerden bitte umgehend medizinische Hilfe in Anspruch nehmen.